Natur

Die tiefgründingen Wege des Feldhamsters: Tier des Jahres 2024

Die bei uns einzig wildlebende Hamsterart, streng geschützt und vom Aussterben bedroht.
Lois Gretzmacher
Feldhamster

Die Begegnung mit dem Tier des Jahres 2024

Ich gehe durch den Garten des Kaiser-Franz-Josef-Spitals (Klinik Favoriten) um eine Freundin zu besuchen. Es ist ein warmer Frühlingstag im Mai 2016. Ich bin in Gedanken und eigentlich gerade nicht besonders aufmerksam. Dennoch bemerke ich im Augenwinkel einen geheimnisvollen Schatten vorbeihuschen. Mein Gehirn schlägt Alarm: Ein ungewöhnliches Muster für eine Großstadt! – „Ich brauche deine Aufmerksamkeit!“ sagt mir mein Gehirn, und zwar so deutlich, dass es meine Gedanken durchdringt. Schließlich bleibe ich stehen und drehe mich zu den Büschen, der Quelle der Bewegung. Ich versuche begierig eine Antwort auf das Geheimnis des Schattens zu bekommen.

Schließlich erblicke ich etwas kleines felliges. Es steht auf den Hinterbeinen und blickt mich mit großen runden schwarzen Augen genauso neugierig an, wie ich das tue. „Ein Hamster!“ sagt mir mein Kopf schließlich, wenn auch gepaart mit Ungläubigkeit. Hamster!? Hat hier jemand etwa mitten in Wien Haustiere ausgesetzt?

Das Krankenhaus der Feldhamster

Bei genauerem Betrachten stellte sich jedoch schnell heraus, dass es sich hier nicht um ein Haustier, sondern tatsächlich um die bei uns einzige wildlebende heimische Hamsterart handelt, den Feldhamster (Cricetus cricetus), erkennbar unter anderem, am komplett schwarzen Bauch.

Mehre Feldhamster kamen dazu, relativ dicht , was eigentlich untypisch für sie ist. Feldhamster sind sehr territorial und dulden abseits der Paarung keine anderen Artgenossen im und um den Bau. Vielleicht eine Anpassung an die Stadt und den damit einhergehenden begrenzten Platz?

Später stellte sich durch meine Recherchen heraus, dass sich diese streng geschützte Art in Wien Favoriten nicht nur wohl fühlt, sondern auch mit viel Vorsicht und Aufwand innerhalb des Krankenhaus-Areales umgesiedelt wurden, um eine Erweiterung der Spitalsgebäude zu ermöglichen.

Feldhamster
Abbildung 2: Auch auf dem Wiener Zentralfriedhof fühlen sie sich wohl. Hier ein Feldhamster mit seinen typischen gefüllten Hamsterbacken. © Shutterstock 2009220533, Foto: Martin Prochazkacz

Kein Haustier?

Dass es sich um eine streng geschützte Art handelt, erklärt auch, warum Feldhamster nicht als Haustiere geeignet sind. Geschütze Arte dürfen nicht gefangen, ihnen nachgestellt oder sonst wie belästigt werden. Abgesehen davon ist der Feldhamster für ein Leben im Käfig noch weniger geeignet als seine Haustier Verwandten.

Die Verwandten des Feldhamsters

Als Haustiere werden bei uns in der Regel Unterarten oder Zuchtformen des syrischen Goldhamsters und diverse Zwerghamster Arten gehalten. Wobei zu erwähnen sei, dass der in Vorderasien beheimatete syrische Goldhamster (Mesocricetus auratus) mittlerweile von der IUCN als „gefährdet“ eingestuft wird.

Im Gegensatz zum Feldhamster sind Haustier-Arten kleiner.
Der Feldhamster ist etwa so groß ist wie ein Meerschweinchen und weist eine Kopf-Rumpf-Länge von 17-30 cm, der Goldhamster von 12-16 cm auf. Die meisten Zwerghamster-Arten bewegen sich zwischen 5-13 cm.

Durch die Färbung lässt sich der Feldhamster ebenfalls klar von anderen Arten abgrenzen. Die schwarze Bauchseite und seine weißen Pfoten sollen ein Raubtiermaul imitieren. Insgesamt wirken Feldhamster jedoch sehr bunt. Der Rücken ist rostbraun und einzelne weiße Flecken an Kopf und Seiten verzieren seinen Körper.

Im Gegensatz dazu sind die meisten Heimtierarten heller, auch wenn es je nach Zuchtform unterschiedlichste Ausprägungen gibt. Die Mischung aus buntem erscheinen, gepaart mit schwarzem Bauch macht dem Feldhamster aber so schnell keiner nach.

Goldhamster
Abbilung 3: Goldhamster beim fressen. Hier ist eine deutliche Abgrenzung zum Feldhamster erkennbar. © Shutterstock 1652736568, Foto: slowmotiongli

Warum Feldhamster schützen?

Feldhamster wurden früher stark bejagt wegen ihrem bunten Fell und weil sie für uns lange als Plage galten. Warum erklärt sich durch ihre Nahrung und ihren Lebensraum:

Nahrung: Getreide, Feldfrüchte (z.b. Rüben, Erbsen, Luzerne). Allerdings werden auch Wildkräuter verzehrt. Proteinreche Nahrung vor Allem in Form von Insekten wird vor allem für die Aufzucht der Jungen benötigt.

Lebensraum: Um seine weitverzweigten, bis zu zwei Meter tiefen Baue graben zu können, braucht der Feldhamster tiefgründige Böden. Optimal sind Löss- und Lehmböden. Der Feldhamster ist ursprünglich ein Steppenbewohner. Durch das Aufkommen der Landwirtschaft ist er auf Äcker ausgewichen. Feldhamster legen einen Bau an und brauchen genug Deckung, um sicher unterwegs sein zu können. Sie leben in struktur- und artenreichen Ackerlandschaften. Dort wohnen sie entweder direkt am Acker oder in geschützten Feldrainen. Aber auch Brachen, Gärten und Friedhöfe werden besiedelt.

Es ist nur verständlich, dass wir uns und unsere Nahrung schützen wollen. Leider vergessen wir dabei oft das große Ganze. Es braucht gute Kompromisse. Wir Menschen können nur leben, wenn es mit uns auch andere Lebewesen gibt um uns. Sind abhängig von einem intakten Ökosystem. Alles, was wir dem Ökosystem an Schaden zufügen, fügen wir letztlich uns selbst zu.

Mittlerweile ist es so, dass der Feldhamster von der IUCN als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft ist.

In Österreich kommen Feldhamster übrigens ausschließlich im östlichen Flach- und Hügelland vor. 75% der österreichischen Population leben in Niederösterreich!

Wie können wir helfen?

Wie so oft ist es in erster Linie nicht die Frage, was wir zu wenig tun, sondern was wir zu viel tun. Dass die Feldhamsterbestände so stark zurückgehen, hat vor allem folgende Gründe:

  • intensive Landwirtschaft mit großen Maschinen, Pestiziden und großen Feldern ohne Struktur und Versteckmöglichkeiten
  • Monokulturen führen zu einseitiger Ernährung -> erhöhte Jungtiersterblichkeit
  • Umstellung von Sommer- auf Wintergetreide (letzteres wird früher geerntet -> plötzlich keine Nahrung und Deckung mehr vorhanden) -> Der eigentlich notwendige 3. Wurf ist dann meist nicht mehr möglich
  • Bodenversiegelung: weniger Lebensraum, Zerschneidung der Lebensräume -> genetische Verarmung
  • Klimawandel und Lichtverschmutzung werden auch als mögliche Faktoren diskutiert.

Feldhamster sind sehr wehrhaft und mitunter auch aggressiv. Dabei können sie sich fauchend und knurrend auf die Hinterbeine stellen. Es bleibt jedoch fraglich, ob dies gegen unsere Maschinen ausreichend ist.

Konkret und schnell umsetzbar können wir folgendes tun:

  • Die Augen offenhalten und Sichtungen melden unter www.naturbeobachtung.at
    Damit helfen wir dem Naturschutzbund und anderen Institutionen auf Feldhamsterpopulationen aufmerksam zu machen und ggfs. Schutzmaßnahmen zu etablieren. Feldhamster sind vor allem nacht- und dämmerungsaktiv.
    Halten Sie daher auch nach folgenden Zeichen Ausschau:
    Feldhamster besitzen mehrere Eingangslöcher die 6-10 cm groß sind und schräg in ihren Bau führen. Darüber hinaus legen sie senkrechte Fallröhren an, um bei Gefahr schnell flüchten zu können. Ein 5-8 Meter markanter Fraßkreis um die Löcher ist meist erkennbar.
  • Bio Produkte kaufen – jedes einzelne Produkt das aus biologischer und nicht aus konventioneller Landwirtschaft stammt, schützt unsere Wildtiere und Ökosysteme.
  • Bewusstsein etablieren, dass wir ohne die anderen Lebewesen als Menschen nicht sein können. Weitererzählen, wie wichtig eine Anpassung unseres Tuns ist. Oft vergessen wir unsere Vorbildwirkung. Der Handlungsspielraum jedes einzelnen von uns ist jedoch enorm.
Feldhamster
Abbildung 4: Feldhamster © Shutterstock 1823332436, Foto: Vienna Wildlife
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