Kobolde der Nacht – Wohnen im Altbau(m)
Mehr als die Hälfte der Fledermäuse in Niederösterreich nutzen Bäume regelmäßig als Tagesquartier.Wie Fledermäuse Bäume nutzen
Fledermäuse zeigen sich ihren Betrachtern nur selten aus nächster Nähe. Gleiches gilt für ihre Quartiere, die oft im Verborgenen liegen und meist unerwartet klein sind. Auch den aufmerksamsten Beobachter:innen entgehen die Tiere aufgrund ihrer Größe. Daher ist es wichtig, sowohl auf ihre Spuren als auch auf potenzielle Quartiere zu achten.
Fledermäuse sind die einzigen aktiv fliegenden Säugetiere. Sie ernähren sich bevorzugt von Insekten und halten in der nahrungsarmen Zeit Winterschlaf. Zuvor – im Herbst – legen einige von ihnen mehrere hundert Kilometer zwischen den Sommer- und Winterquartieren zurück.
Von den 25 in Niederösterreich vorkommenden Fledermausarten sind die meisten in Bäumen anzutreffen. Es gibt Arten, die häufiger oder fast nur in Bäumen wohnen, andere Arten besiedeln diese nur gelegentlich, saisonal bedingt oder als Einzeltiere. Bei Baumpflegemaßnahmen sind oft nur eine Handvoll Arten besonders relevant, darunter ist die auffälligste Fledermaus der Abendsegler (Nyctalus noctula).
Wohnen im Altbau(m)
Unabhängig von Alter, Brusthöhendurchmesser, Standort und Vitalität kann ein Baum mit ausreichender Struktur ein potenzielles Fledermausquartier beherbergen. Im Siedlungsbereich sind solche Einzelbäume oft sehr kostbare und seltene Lebensraumelemente.
Altbäume weisen typische Strukturen auf, die von vielen Fledermausarten als Lebensraum genutzt werden. Stammanrisse und Spalten ab einem Zentimeter sind für die kleineren Fledermausarten wie die Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) als Unterschlupf ausreichend. Abstehende Borke ist ein ideales Tagesversteck für die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus), hier können auch Wochenstuben (= mehrere Muttertiere mit ihren Jungtieren) gebildet werden. Mulm- und Stammfußhöhlen finden als WGs oder als Garconniere für die Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) Verwendung. Spechthöhlen sind aufgrund ihres Aufbaus – Aushöhlung nach oben – gerade für Wochenstuben der seltenen Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) von besonderer Bedeutung. Die Entstehung geeigneter Baumhöhlen dauert allerdings mehrere Jahrzehnte!
Damit sich Fledermäuse in Bäumen wohl fühlen, müssen gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt sein: Schutz vor Regen und Wind, Schutz vor Räubern und ein stabiles Mikroklima. Je nach Größe bildet sich eine Kolonie, die ein ganzes Netzwerk von Quartieren, z.B. Baumhöhlen, benötigt. Generell werden Höhlen und Spalten an und in Bäumen unterschiedlicher Größen, selbst solche von geringem Umfang. Es gilt die Daumenregel. Wo der Daumen rein passt, passt auch eine Fledermaus hinein!
Eine Wohnung reicht nicht!
Mehr als die Hälfte der Fledermäuse in Niederösterreich nutzen Bäume regelmäßig als Tagesquartier. Dabei werden Quartiere alle ein bis zehn Tage gewechselt, um den Parasiten und Fressfeinden zu entgehen. Und um sich je nach Temperatur kühlere oder wärmere Standorte zu suchen. In der Übergangszeit sind es Schlaf- und Ruheplätze für die Durchzügler. Im Herbst besetzen einzelne Männchen Höhlungen, um die Weibchen anzulocken (Paarungs- und Balzquartiere). Über Generationen hinweg entsteht so ein Verbund aus bekannten Quartierbäumen, die immer wieder aufgesucht werden. Auch in den kalten Monaten bieten Bäume ausreichend Schutz und oft überwintern – von außen nicht ersichtlich – hunderte Fledermäuse in den Höhlen und Spalten alter Bäume.
Gefährliche Räumungen
Problematisch sind Störungen bzw. Baumfällungen im Winter! Vom Abendsegler werden zwar Temperaturschwankungen zwischen -9° und +25°C toleriert. Aber es besteht erhöhte Verletzungsgefahr, da die Tiere nicht schnell genug aufwachen und flüchten können. Der Aufwachvorgang allein verbraucht bereits sehr viel Energie und dauert bis zu 45 Minuten. Auch das Fliegen bedeutet einen zusätzlichen Energieverlust, den sie durch das fehlende Futter nicht kompensieren können.
Störungen in der Wochenstubenzeit führen zu plötzlichem Verlassen der Quartiere. Die Jungen werden im ersten Moment zurückgelassen. Dies kann sich v.a. bei Fällungen fatal auf die Population auswirken. Pro Weibchen wird meist nur ein Jungtier geboren. Dies ist mit ein Grund für den hohen Schutzstatus der Fledermäuse.
Baumpflegemaßnahmen sind in der Zeit der Jungenaufzucht (Mitte Mai bis Ende Juli) und während dem Winterschlaf (Ende November bis Mitte März) am heikelsten. Baumfällungen sind immer ein sehr starker Eingriff und sollten nicht ohne Kontrolle auf ein potenzielles Fledermausquartier durchgeführt werden.
Das Gerangel am Wohnungsmarkt
An die 50 Tierarten (u.a. Hornissen, Bienen, Meisen, Fledermäuse, Bilche, etc.) nutzen Baumhöhlen in einer bestimmten zeitlichen Abfolge. Nicht jede Höhle wird gleichermaßen genutzt, sondern je nach Beschaffenheit und Alter der Höhle ziehen die ersten Tiere ein, bis sie mit der Zeit von nachfolgenden abgelöst oder vertrieben werden. Gelegentlich kommen mehrere Tier- oder Fledermausarten gemeinsam vor.
Innerhalb eines Jahres werden von einer Fledermauskolonie bis zu 50 Baumhöhlen aufgesucht. Der häufige Wohnungswechsel hält auch in den darauffolgenden Jahren an. Neben dem natürlichen Verlust von Baumhöhlen durch Windschäden etc., steigt durch die aktive Entnahme von Altbäumen oder stehendem Totholz die Konkurrenz um die wenigen verbleibenden Quartiere stark an.
Jedes Baumquartier ist wichtig: unabhängig ob in der Stadt, am Land oder in geschlossenen Waldgebieten – baumbewohnende Tiere ringen um die letzten Plätze am Wohnungsmarkt!
Spechte sind wichtige Bau(m)unternehmer, die für den notwendigen Neubau von Baumhöhlen sorgen. Sie erfüllen daher für viele Tiere, u.a. auch für die Fledermäuse, eine sehr hohe ökologische Funktion (Spechtschutz = Fledermausschutz).
Mieterschutz für Fledermäuse
Alle Fledermausarten sind in Niederösterreich nach dem NÖ Naturschutzgesetz geschützt, dies betrifft auch ihre Quartiere. Jegliche Baumpflegemaßnahme stellen in gewisser Weise einen Eingriff in ein Fledermausquartier dar und sollten nach Möglichkeit vermindert oder vorsorglich durch Kontrollen und Ausgleichsmaßnahmen behandelt werden. Zuoberst steht dabei der Erhalt der Quartiere, da künstliche Habitate die natürlichen niemals vollständig und vor allem nie rechtzeitig ersetzen können.
Autorin: Katharina Bürger
Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ)
Länderkoordinatorin für Niederösterreich
katharina.buerger@fledermausschutz.at
Verwendete und empfohlene Literatur
- ANDREWS H. (2018) Bat Roosts in Trees - A guide to identification and assessment for tree-care and ecology professionals. Bat Tree Habitat Key. Pelagic Publishing
- KERTH & KÖNIG (1999) Fission, fusion and nonrandom association in female Bechstein´s bats (Myotis bechsteinii). Behaviour, 136: 1187-1202
- MESCHEDE A. & K.-G. HELLER (2002) Ökologie und Schutz von Fledermäusen in Wäldern. Schriftenreihe für Land- wirtschaftspflege und Naturschutz. Heft 66, 374 Seiten
- DIETZ M., DUJESIEFKEN D., KOWOL T., REUTHER J., RIECHE T. & C. WURST (2019) Artenschutz und Baumpflege. Haymarket Media (Verlag), 2. überarbeitete, erweiterte Auflage
- Österreichische Baumkonvention (2023) Leitfaden Baumsicherheitsmanagement – Bäume sichern und erhalten. Herausgeberin: Stadt Wien, Umweltschutz, https://www.wien.gv.at/umweltschutz/pdf/baumhaftung-leitfaden.pdf
- http://www.fledermausschutz.at/downloads/2020/Baumplakat_Fledermaeuse-Baumpflege.pdf
- www.fledermausschutz.at (Anzahl der Fledermausarten für NÖ), abgerufen am 15.6.2024