Museum zu Gast: Stadtmuseum St. Pölten
Das Museum beherbergt eine reiche archäologische und stadtgeschichtliche Sammlung sowie eine Jugendstil-Abteilung.Mitten in der Altstadt von St. Pölten befindet sich das Stadtmuseum, untergebracht im ehemaligen Karmelitinnenkloster, das 1707/9–1712 nach Plänen des Architekten des Karmeliterordens Martin Witwer errichtet worden war. Das Museum beherbergt eine reiche archäologische und stadtgeschichtliche Sammlung sowie eine Jugendstil-Abteilung, in der Meisterwerke von Ferdinand Andri, Ernst Stöhr, Charlotte Andri-Hampel und Joseph Maria Olbrich präsentiert werden. Diese Künstler waren prägend für die Anfänge der Wiener Secession. Neben Grafiken und Gemälden umfasst die Sammlung auch architektonische Entwürfe, Möbel und Kunsthandwerk.
1879 stellte Dr. Karl Heitzler, der von 1917 bis 1919 auch Bürgermeister von St. Pölten war, im Gemeinderat den Antrag, das städtische Archiv und historisch bedeutsame Gegenstände zu sichten und zu ordnen. Dies legte den Grundstein für das Stadtmuseum. Bereits 1885 beschloss die Gemeindevertretung, den zweiten Stock des Rathauses für eine Volksbibliothek zu adaptieren. Das Museum war zunächst jedoch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Unter der Leitung des historisch interessierten Fotografen Friedrich Imbery wurde das Stadtmuseum 1909 im Rathaus eröffnet, zog jedoch bald darauf in das Gebäude Linzer Straße 37 um, wo es 1929 überstürzt wieder abgebaut wurde. Nach 1945 konnten keine geeigneten Räumlichkeiten für das Museum gefunden werden.
Erst 1976 wurde das Stadtmuseum St. Pölten nach einem Konzept von Dr. Karl Gutkas und Dr. Johannes-Wolfgang Neugebauer im Karmeliterhof neu eröffnet – genau 1000 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes „Treisma“, der von vielen Forschern mit dem frühen mittelalterlichen St. Pölten identifiziert wird. Viele der nun ausgestellten Objekte hatten zu diesem Zeitpunkt eine fast 100-jährige Odyssee durch verschiedene Aufbewahrungsorte hinter sich.
Durch den Abriss zweier Mauern entstand aus der einst engen „Klosterpforte“ ein großzügiges Foyer mit Museumskassa, Shop und Café. Ein Hebelift im Foyer sowie ein Glas-Stahl-Lift im Innenhof sorgen für Barrierefreiheit im Museum. Der nach den Vorgaben des Denkmalamtes gestaltete Glas-Stahl-Lift fügt sich harmonisch in die Architektur des Karmeliterhofs ein.
Ab 2007 war die archäologische und stadtgeschichtliche Dauerausstellung zu St. Pölten zugänglich. Diese wurde nun 2024 abgebaut, um Platz für die Ausstellung „Blick in den Schatten. St. Pölten und der Nationalsozialismus“ zu schaffen. Im selben Jahr zog mit „Von Steinen und Beinen. Die wechselvolle Geschichte eines Platzes, der keiner war.“ eine neue multimediale archäologische Ausstellung, die sich mit den fast 10-jährigen Ausgrabungen am Domplatz beschäftigt, in das Stadtmuseum ein.
Von Steinen und Beinen.
Die Geschichte eines Platzes, der keiner war.Die Schau, die zumindest bis 2. November 2025 zu sehen ist, bietet einen umfassenden Einblick in die wechselvolle Geschichte des Domplatzes von St. Pölten. Die 10-jährigen archäologischen Grabungen haben sensationelle Ergebnisse zutage gebracht. Über einem bisher völlig unbekannten römischen Verwaltungspalast aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. entstand ein aus mehreren heute verschwundenen Gebäuden zusammengesetztes mittelalterliches Kirchenensemble, das diesen Ort jahrhundertelang prägte. Der hier gelegene, bisher die Forschung beständig faszinierende und herausfordernde mittelalterliche und frühneuzeitliche Friedhof mit mehr als 22.000 freigelegten Bestattungen erfährt auch international große Beachtung.
Unter Einsatz modernster Methoden wurden die aufgedeckten Mauerreste digital rekonstruiert und dadurch lebendig gemacht. Deren 3-dimensionales Erscheinungsbild wird erstmals in der Ausstellung gezeigt. Präsentiert werden aber nicht nur Originalfunde vom Domplatz, sondern auch erstmals die aufsehenerregenden Resultate der naturwissenschaftlichen Untersuchungen, die einen tiefen Einblick in die Lebensbedingungen der St. Pöltner Bevölkerung zur damaligen Zeit geben. Abwechslungsreiche Inszenierungen, unterstützt durch Medientechnik, machen einen Rundgang durch die Ausstellung zu einem spannenden Erlebnis.
Blick in den Schatten.
St. Pölten und der NationalsozialismusDie Ausstellung „Blick in den Schatten. St. Pölten und der Nationalsozialismus“ widmet sich einer der dunkelsten historischen Epochen der Stadt im 20. Jahrhundert, dem Nationalsozialismus. Sie macht, beginnend mit den Vorboten des Nationalsozialismus ab der Jahrhundertwende, die Zeit der NS-Schreckensherrschaft und die gesellschaftspolitischen Kontinuitäten bis in die Gegenwart spürbar. Kooperationspartner der Ausstellung und des Teams des Stadtmuseums St. Pölten war das Tangente Festival. Beim Festival standen große Themen nicht nur im Zentrum, sondern auch zur Debatte. Es ließ mit seinem vielfältigen, kulturellen Programm zwischen 30.April und 6. Oktober 2024 in St. Pölten aufhorchen. Mit Themenschwerpunkten wie Ökologie, Erinnerung und Demokratie, die seit April St. Pölten bewegten, war „Blick in den Schatten“ neben anderen Veranstaltungen in St. Pölten Teil des Festivalschwerpunkts „Erinnerung“.
Die Ausstellung weigert sich, einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit dieser menschenverachtenden Epoche zu ziehen. In Zusammenarbeit mit der Tangente unternimmt das Stadtmuseum St. Pölten den Versuch, die Wirkungsmacht von Stadtgeschichte zu untersuchen und deutlich zu machen. Die Ausstellung soll ein Ort sein, an dem Erinnerungen von Bürgerinnen und Bürgern aus St. Pölten erzählt und neue Erzählungen aktiv aufgegriffen werden. Ein Ort, der Materialien aus dem Stadtarchiv und den Museumsdepots der Öffentlichkeit vorstellt, um so das Erinnern zu unterstützen. Ein Ort, an dem Wissen nicht nur weitergegeben, sondern auch generiert wird. Ein Schwerpunkt liegt darauf, dass Besucherinnen und Besucher am Ausstellungsprozess aktiv mitwirken können. In partizipativen Workshops mit Schulen und anderen Gruppen wird die Forschung des Ausstellungsteams fort- und weitergeführt. Die Ausstellung ist zumindest bis 25. Mai 2025 geöffnet.
Jugendstil
Die Jugendstil-Abteilung zeigt Meisterwerke von Ferdinand Andri, Ernst Stöhr, Charlotte Andri-Hampel und Joseph Maria Olbrich, deren Kunst auf die Anfänge der Wiener Secession zurückweist. Neben Grafiken und Gemälden werden auch architektonische Entwürfe, Möbel und Kunsthandwerk präsentiert.
Das Museum verwahrt die Nachlässe bedeutender St. Pöltner Künstlerinnen und Künstler dieser Zeit, die auf den Gebieten der Malerei und der Grafik sowie des Kunstgewerbes und der Innenarchitektur besondere Leistungen vollbracht haben. Neben Ernst Stöhr waren auch der Secessionskünstler Ferdinand Andri und dessen Frau Charlotte Andri-Hampel eng mit der Stadt verbunden. Sowohl Ernst Stöhr als auch Ferdinand Andri waren mit Kunstwerken an der legendären Beethoven-Ausstellung der Secession im Jahr 1902 beteiligt. Stöhr wurde gar die Ehre zuteil, das Vorwort zum begleitenden Katalog der Ausstellung zu verfassen!
Der St. Pöltner Hans Ofner, ein Schüler Josef Hoffmanns, reüssierte mit seinen Möbelentwürfen und Innenraumgestaltungen auf der Höhe der Zeit. In der Jugendstil-Abteilung des Stadtmuseums wird ihnen allen ein Denkmal gesetzt – Hauptwerke dieses Künstlerkreises um 1900 verweisen darauf, dass diese Epoche des Aufschwungs in der Stadtentwicklung, die durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs jäh unterbrochen wurde, von grandiosen kreativen Köpfen begleitet wurde.
Die Rolle von Ferdinand Andri und Wilhelm Frass vor, während und nach dem NS-Regime wird in der Ausstellung „Blick in den Schatten. St. Pölten und der Nationalsozialismus“ ausführlich beleuchtet.
Autorin: Nicole Fuchs-Sommer
Stadtmuseum St. Pölten
Prandtauerstraße 2
3100 St. Pölten
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Sonntag 10:00 - 17:00 Uhr
Geführte Rundgänge durch die Ausstellungen, für Gruppen gegen Voranmeldung telefonisch (02742/333-2642) oder per E-Mail.
Altersgemäße Führungen durch die Ausstellungen und Workshops werden für Schulklassen (von der Volksschule bis zur Oberstufe) angeboten.
Sonderöffnungszeiten für Schulen:
Montag bis Freitag 8:00 - 14:00 Uhr
Weitere Infos finden Sie auf der Website des Stadtmuseums:
www.stadtmuseum-stp.at