Geschichte

Zu unser lieben Frauen Schmerzen am Täfferl

300 Jahre Weihe der Wallfahrtskirche Maria Taferl
Prof. Dr. Elisabeth Vavra
Maria Taferl

2024 erreichte Maria Taferl bei der beliebten Fernsehsendung „9 Plätze – 9 Schätze“ den zweiten Platz, geschlagen nur von einem Naturdenkmal, der Gadaunerer Schlucht bei Bad Hofgastein. 2024 war auch das Jahr, in dem sich die Weihe der heutigen Wallfahrtskirche zum 300. Mal jährte. Maria Taferl, nach Mariazell der zweitbeliebteste Wallfahrtsort in Österreich, ist auch heute noch Ziel von rund 300.000 Wallfahrer:innen jährlich.  

Die Anfänge der Wallfahrt gehen in die Frühe Neuzeit zurück. Irgendwann Mitte des 16. Jahrhunderts begann die Pfarre Klein-Pöchlarn Prozessionen auf das Taferlgebirge abzuhalten: Jeden Ostermontag zogen Pfarrer und Gemeinde die Donau entlang bis Marbach, feierten dort die Heilige Messe und setzten ihren Weg über den damals noch von Föhren bewaldeten Auberg fort. Bei einer alten Eiche, in dessen Höhlung ein hilzenes crucifix stand, las der Pfarrer das Evangelium. Dann hielt man Mahlzeit auf einem Steintisch, der sich dort seit alters her befand. Der Rückweg führte über die Hügel, auf denen damals noch Weinstöcke wuchsen, bis nach Ebersdorf. Zurück ging es wieder durch das Donautal nach Klein-Pöchlarn. Noch handelte es sich nur um einen der üblichen Bittgänge.

Taferl-Stein, Steinbalustrade 1736
Taferl-Stein, Steinbalustrade 1736 © Elisabeth Vavra

Am 14. Jänner 1633 ging der Viehhirte von Krummnußbaum Thomas Pachmann ins Holz, um Brennholz zu schlägern. Weiln der Baumb kein Ansehen gehabt, schon dürr gewest und nur zwei griene Ästl daran gewest, wollte er die alte Eiche schlägern. Als er mit der Axt in den Baum schlug, glitt er ab und verletzte sich am rechten Fuß; als er nochmals von der anderen Seite einen Hieb setzte, drang die Axt in seinen linken Fuß und durchtrennte eine Arterie. Da bemerkte er erst, dass es die Eiche mit dem Kruzifix war, die er gerade fällen wollte. Er bat Gott um Vergebung für seinen Frevel, und das Blut, das fast fingerdick aus den Wunden geschossen war, versiegte. Nach drei Wochen war er geheilt. Lange Jahre ereignete sich nichts. 1642 ersetzte Alexander Schinagl aus Krummnußbaum das inzwischen wurmstichige Kreuz durch unser Frauen Vesperbild. Er hatte es vom Schulmeister und Organisten in Klein-Pöchlarn erworben. Sechs Jahre schon hatte Schinagl an schweren Depressionen – Melancoley – gelitten, hatte Selbstmordgedanken. Nichts hatte dagegen geholfen. Alß er aber diß Bild hinaufgesetzt, seye es nach und nach mit ihm besser worden. 

    Neun Jahre später begann die fast verdorrte Eiche wieder grüne Blätter auszutreiben. Ab 1658 begannen die Berichte über weitere Mirakel, die sich bei der Eiche am Taferlberg ereignet haben sollten: Wunderheilungen, Gebetserhörungen, Stern- und Lichterscheinungen, nachts oder auch tagsüber geisterhafte Umzüge von weißgekleideten Personen und Engelsprozessionen, die 1659 besonders oft gesichtet wurden: bei die 40 Personen gewesen, klein und groß, wie auch 2 Fahnen, einen kleinen und einen großen, sind sammt den Personen ganz weiß geschienen […]. Daniel Fux sah bei der Gartenarbeit ob der 300 Personen, […] alle in den Lüfte schwebend […] so schnell zu unserer lieben Frau Maria Taferl zu reisend, gleichsamb als ob sie fliegen wie die Engel. Einige Tage später reisten die „Engel“ sogar mit einem Kobelwagen (= vor allem im Mittelalter gebräuchlicher Reisewagen), der von sechs Schimmel gezogen wurde. Blindenmarkt, Böheimkirchen und Schwertberg entgingen einer verheerenden Feuersbrunst, da sich die Bürger:innen mit einer Tafel und einem Opfer nach Maria Taferl verlobt hatten.

    Die Zahl der Wallfahrer:innen mehrte sich. Eine hölzerne Kapelle wurde in der Nähe der Eiche errichtet. Alexander Schinagel kam für die Kosten auf. Er ließ auch ein Gitter vor dem Gnadenbild anbringen und eine Opferbüchse. Für die Wallfahrer:innen wurde ein gemauertes Haus errichtet, ausgestattet mit Ofen und Betten. Noch waren die Wunder aber kirchlich nicht anerkannt. Dafür waren aufgrund der schwierigen rechtlichen Situation Regensburg und Passau zuständig: Weltlich gehörte die Gegend zur Herrschaft Pöchlarn, die im Eigentum des Bistums Regensburg war, seelsorgerlich unterstand sie der Diözese Passau. Der Pfleger der Stadt Pöchlarn berichtete als Bediensteter des Bischofs von Regensburg wiederholt nach Regensburg über die Wunder, die sich bey dem Taferl negst dem Aichbrunn ereigneten, und vom Zustrom der Pilger:innen. Die Geistlichkeit richtete ihre Berichte an das Passauer Konsistorium (= Verwaltungsbehörde) nach Wien. Zeugen wurden vernommen, ihre Aussagen gesammelt, und die Protokolle nach Regensburg gesandt. Man drängte auf eine positive Entscheidung, da vor allem an Sonntagen bereits aus Linz, Ybbs und der Wachau die Wallfahrer:innen kamen, an dem Ort aber keine Gottesdienste abgehalten werden durften. Im Dezember 1659 fanden sich endlich die Vertreter des Passauer Bischofs in Pöchlarn ein, um die Mirakel zu untersuchen. 51 Personen wurden verhört, darunter auch Thomas Pachmann und Alexander Schinagl. Zu dieser Zeit waren bei unser Frauen Vesperbild bereits 58 Votivtafeln angebracht, davon 44 mit Inschrift; an Spenden waren rund 749 Gulden eingegangen.

    Anfang Februar 1660 waren sich Passau und Regensburg endlich einig. Am 17. März 1660 kam der Passauer Offizial (=Vorsteher des Kirchengerichts) nach Pöchlarn und reiste dann auf dem Taferlberg. Zur Grundsteinlegung für den neuen Kirchenbau kam es nicht, da der Regensburger Vertreter fehlte. Aber immerhin konnten die ersten gedruckten Mirakelbücher unter die Leute gebracht werden. Am Fest des heiligen Josef – 19. März 1660 – wurden die ersten heiligen Messen gelesen. Am 25. April kam es dann endlich zur Grundsteinlegung für den Bau der neuen Wallfahrtskirche. An den nächsten Tagen wurden zwischen den Vertretern von Passau und Regensburg die näheren Modalitäten für den Kirchenbau und den Wallfahrtsbetrieb ausgehandelt. Das Patronatsrecht erhielt der Bischof von Regensburg. Die Andacht sollte unter dem Namen ad beatam Virginem Dolorosam oder Zu unser Frauen Schmerzen geführt werden. Als Bauplatz wurde der Platz um den Eichbaum bestimmt. Der erste Bauabschnitt sollte der Altarraum sein, mit der Zeit aber das übrige nach und nach vollendet werde(n).  

    Gut Ding braucht Weile

    Wallfahrtbasilica Maria Taferl
    Wallfahrtbasilica Maria Taferl © Elisabeth Vavra

    Mit dem Kirchenbau hatte man gerade erst begonnen, da ersuchten bereits die ersten Handwerker um die Erlaubnis, sich am Ort niederlassen zu dürfen: ein Fleischhauer, ein Lebzelter und ein Betenmacher (= stellt Rosenkränze her). Und Orden starteten die ersten Versuche, sich den zukunftsträchtigen Wallfahrtsort einzuverleiben: Die ersten waren die Serviten, die bereits die Wallfahrt in Maria Langegg betreuten, später folgten die Pauliner aus Unterranna. Im November 1660 empfahl der Bischof von Regensburg, eine Taverne zur Unterbringung der Wallfahrer:innen zu errichten. Im April 1661 begann man mit der Aushebung des Grundes für die Kirchenfundamente. Im August waren die Sakristei, die Schatzkammer und die Opferkammer bereits unter Dach. 172.000 Ziegel von den eigenen und umliegenden Brennöfen wurden angeliefert. Im April 1662 schlossen die zuständigen Kommissionäre mit dem Hoff- und Landtschaffts-Baumeister zu Wien Georg Gerstenbrandt den Vertrag bezüglich der Errichtung der Wallfahrtskirche aufgrund des bereits eingereichten Risses und Modells. Bis 1667 wurden 30.000 Gulden verbaut. Querschiff- und Giebelmauern wurden hochgezogen sowie der Dachstuhl errichtet. 1671 war das Langschiff bis zu den Türmen fertiggestellt. Im selben Jahr wurde Georg Gerstenbrandt durch den in Passau tätigen italienischen Baumeister Carl Lorago abgelöst. In der Folge stockte der Baufortschritt, da die Einnahmen zurückgingen. 

      1675 begann man mit der Einwölbung der Kirche, die großteils mit Ziegeln erfolgte. Nur die Kuppel über der Vierung wurde aus Holz errichtet. Zwei Jahre später war die Einwölbung bis zu den Pfeilern des Musikchores fertig, mit dem Unterbau der Türme wurde begonnen. Die große Pestepidemie 1679/80 minderte zwar den Zustrom der Wallfahrer:innen, allerdings war sie auch Grund für neue Wallfahrtgelöbnisse, die als Dank für das Erlöschen der Pest abgelegt wurden, so etwa von der Stadt Gmünd. 1693 war endlich der erste Kirchturm fertiggestellt. Und man begann gleich mit der Bauausführung des zweiten Turmes, der 1697 vollendet wurde. Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts traten aber die ersten Schäden am Bau auf: Der Kirchendachstuhl war schadhaft und drohte das Kirchengewölbe zu beschädigen. Die hölzerne Kuppel stellte einen weiteren Schwachpunkt dar. Jakob Prandtauer lieferte 1707 einen Entwurf für eine in Mauerwerk ausgeführte Kuppel, mit deren Errichtung gleich begonnen wurde. Die nächsten Schritte waren die Ausmalung des Kirchengewölbes und der Kuppel: Ein Vertrag für die Entwürfe wurde 1713 mit Antonio Beduzzi geschlossen. 1718 wurden die Maler ausbezahlt.

      Als am 29. Juni 1724 der Passauer Bischof Josef Dominik Graf Lamberg die Wallfahrtskirche endlich weihte, war die Ausstattung der Kirche aber noch lange nicht abgeschlossen. 1726 bewilligte der Bischof von Passau die Anfertigung einer Kanzel. Als Vorbild diente die Kanzel des Passauer Domes. Die Skulpturen schnitzte der St. Pöltner Bildhauer Peter Widerin, der Schwiegersohn Jakob Prandtauers. Die Vergoldung erfolgte 1730. Als nächstes folgten die beiden kleinen Seitenaltären an den Abschrägungen des Langhauses, 1733 geweiht zu Ehren der Heiligen Johannes Nepomuk und Karl Borromäus. Den Auftrag für die Altarbilder erhielt Johann Georg Schmidt, der Wiener Schmidt.

        Schon 1711 hatte man Überlegungen über die Errichtung eines neuen Hochaltares angestellt, allein es fehlte an Geld. 1732 richtete der Administrator des Gnadenortes wieder ein dringliches Schreiben an den Bischof von Passau mit der Bitte um Genehmigung eines neuen Hochaltares: Mäuse und Ratten hätten den hölzernen Aufbau bereits so zernagt, dass die wundertätige Eiche und das Gnadenbild gefährdet wären. Planung und Errichtung des Hochaltares zogen sich hin. Wieder einmal prallten die Interessen der beiden Bischöfe aufeinander. Jeder wollte seinem Favoriten den Auftrag zuschanzen. Letztendlich reichten vier Künstler Skizzen ein: der Passauer Bildhauer Joseph Matthias Götz, der Regensburger Johann Philipp Mayer, der kurbayrische Hofbaumeister Joseph Effner und der Linzer Johann Michael Prunner. Das Rennen machte schließlich der am 21. Oktober 1734 von Götz vorgelegte Entwurf. Götz hatte u.a. bereits die Entwürfe für den Zwettler Hochaltar geliefert. Für Maria Taferl sah er den Einbau des Gnadenaltars in eine monumentale Wandarchitektur vor, die an die zu vielerlei Anlässen im Barock errichteten Triumph- und Trauerpforten erinnert. Den Gnadenaltar aus vergoldetem Kupfer und Silber schuf der Passauer Goldschmied Peter Schwendtner. Die beträchtliche Summe von 24.000 Gulden brachte man durch die Veräußerung von Gold- und Silberopfer auf. Bis zur Fertigstellung waren die Gesamtkosten dann auf 40.000 Gulden gestiegen. Ab Oktober 1738 trafen die Silberarbeiten für den neuen Hochaltar in Maria Taferl ein. Die einstige Pracht des Gnadenaltars lässt sich aus den Beschreibungen nur mehr erahnen. Für die Finanzierung der Napoleonischen Kriege wurde der Altar der Silberarbeiten beraubt und diese nach Wien abgeliefert. Am 26. Mai 1739 wurde das Gnadenbild feierlich in den neuen Hochaltar übertragen. Administrator Balthasar Ertl berichtete darüber dem Bischof: Zuelauf sogahr von kayserl. Residenzstatt Wienn und anderen benachbahrten Stätten von hochadelich und gemeinen, geist- und weltlichen Stands uhngefehr 12.000 Personen gewesen; unter welchen 42 Geistliche mit brenenden Kerzen, 14 processiones mit ihren Creuzfähnen

          Das Jahr 1755 sollte in seinen letzten Tagen zum Katastrophenjahr werden. Am 12. Dezember abends brach in der Kirche ein Brand aus. Ein Chorknabe hatte ein brennendes Opferlicht in der hohlen Eiche versteckt und so den Brand ausgelöst. Die Eiche und das aus Lindenholz geschnitzte Gnadenbild fielen den Flammen zum Opfer. Noch in derselben Nacht setzte man die in der Schatzkammer aufbewahrte Kopie, die immerhin aus dem Holz der heiligen Eiche geschnitzt worden war, zur Verehrung aus. In der Folge ließ man eine Kopie des Gnadenbildes aus Lindenholz anfertigten; aus den fein vermahlenen Überresten des alten Gnadenbildes rührte man die für die farbige Fassung notwendige Grundierung an. So verdiente es weiter die vollste Verehrung. Das nahende Jubiläum 1760 veranlasste den Administrator wieder einmal, den Bischof an die noch fehlenden Altäre im Querschiff zu erinnern. Dieser lehnte mit Hinweis auf die Kriegszeiten ab. Österreich befand sich gerade mitten im Siebenjährigen Krieg. Einzige Zugeständnisse waren Geldmittel für das Ausweißen der Kirche, ein neues Kirchenpflaster und eine „gute“ Orgel. Für letztere erhielt der Wiener Orgelbauer Johann Hencke den Auftrag. Er verpflichtete sich um 1.200 Gulden eine neue Orgel mit drei Klaviaturen, zwei Positiven und Register sowie drei Orgelkästen mit Bildhauerarbeit herzustellen. Bis zum 19. März 1760 werde er dies alles zum Schiffplatz in der Rossau stellen. Die Orgel kam die Donau aufwärts nach Marbach.

          Erst 1775 war es dann soweit: Martin Johann Schmidt erhielt für zwei Altarblätter mit der Kreuzigung Christi und dem hl. Joseph als Beschützer des Gnadenortes 2.000 Gulden. Mit dem Salzburger Steinmetzmeister Jakob Mößl wurde Anfang 1776 ein Vertrag über die Herstellung der Altaraufbauten geschlossen. Im folgenden Jahr wurde der Josefi-Altar aufgestellt. Die Skulpturen lieferte der Mühldorfer Bildhauer Philipp Piringer. Ein Jahr später gestaltete der Steiner Goldschmied Franz Mössenlechner den Tabernakel mit reichem Silberschmuck aus. Im Jahr darauf legte Franz Josef Neumiller, Maler und Vergolder aus Eferding ein Offert für die Vergoldung des Altars. In der Zwischenzeit war auch der Altaraufbau des Kreuzaltares fertiggestellt. Neumiller führte 1781 die Vergoldung beider Altäre durch. Damit war nach 120 Jahren die Ausstattung der Wallfahrtskirche mit den wichtigsten Elementen vollendet. Ermöglicht wurde diese großteils durch die großzügigen Spenden und Stiftungen der Gläubigen. Um ausreichend Spenden zu lukrieren, musste man einen im Aufbau begriffenen Wallfahrtsort zunächst einmal bekannt machen.

          Barockes Marketing

            Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) war ein erklärtes Ziel die katholische Erneuerung der habsburgischen Länder. Neben staatlichen Zwangsmaßnahmen zur Bekehrung, u.a. unter Androhung der Landesausweisung, wurde auch die katholische Bevölkerung in die Pflicht genommen: Sie hatte an kirchlichen Prozessionen teilzunehmen, die Beicht- und Kommunionspflicht zu erfüllen, den Gottesdiensten beizuwohnen und die Feier-, Fast- und Heiligentage einzuhalten. Der Überzeugungsarbeit und auch der kirchlichen Machtdemonstration dienten auch die alten und die neu entstandenen Wallfahrtsorte. Mitte des 18. Jahrhunderts existierten in Österreich unter der Enns an die 500 Gnadenbilder und Wallfahrtsstätten. Da Mundpropaganda zur Popularisierung neuer Orte allein oft nicht genügte, bediente man sich noch anderer Mittel: neue Lieder und Gebete zu den Gnadenbildern wurden verfasst und auf Flugblättern verbreitet, Andachtsbildchen vor Ort verkauft, Gedenkmünzen für die Wohlhabenden geprägt und – nicht zuletzt – Büchlein über die Entstehung der Wallfahrt und die damit verbundenen Wunder gedruckt. Je größer die Zahl, je unterschiedlicher die Wunder, je geographisch weiter der Aktionsradius, desto größer war die Chance für das Erblühen der Wallfahrt. Solches lässt sich auch für Maria Taferl beobachten. Das älteste bekannte Mirakelbuch erschien 1660 im Druck. 1677 legte Leopold Voigt in Wien 1000 Mirakelbücher auf; 1686 erfolgte eine zweite Auflage dieses Mirakelbuches, 1698 eine weitere mit 1000 Stück. 1707 erschien das zweite Mirakelbuch unter dem Titel Ursprung oder mehriste Mirakeln oder Mirabilia […], das bis 1712 in acht Auflagen herausgegeben wurde. Adam Berg verfasste 1723 das erfolgreichste Buch über Maria Taferl: den in Passau gedruckten Oesterreichischen Myrrhen-Berg […] Das ist: Anfang und Fortgang der Welt=beruehmten Kirchfarth nach Maria Taefferl in unter Oesterreich. Die erste Auflage dokumentierte 138 Gebetserhörungen der Jahre 1659 bis 1707. Jede neu erschienene Folge enthielt die sich neu ereignenden Mirakel: so 159 für die Jahre 1676 bis 1746, 295 für die Jahre 1746 bis 1759, 133 für die Jahre 1759 bis 1768 usw. Die letzte achte Folge wurde 1848 in Horn gedruckt. Sie enthält die Wunder bis 1847. Da der Zustrom von Wallfahrer:innen aus Böhmen und Mähren stetig zunahm, bat man 1743 um die Erlaubnis, ein Mirakelbuch auch in „böhmischer“ Sprache auflegen zu dürfen. 1756 genehmigte der Bischof von Olmütz ein solches, das ebenfalls mehrfach aufgelegt wurde. 

            Auf der „Bucket List“

            Maria Taferl und Marbach, Jakob Alt, um 1830
            Maria Taferl und Marbach, Jakob Alt, um 1830 © Topographische Sammlung, Landesbibliothek Niederösterreich

            Trotz der erfolgreichen Etablierung des Wallfahrtsortes traten aber immer wieder auch Probleme auf, die es zu bewältigen galt. So kam es in den ersten Jahren zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der angrenzenden Herrschaft Pöggstall. Ihre Vertreter behaupteten, dass an dem heiligen Ort Mordtaten geschehen und die ansässigen Wirte Menschenfleisch verkochen. Die Gerüchteküche brodelte so heftig, dass Kaiser Leopold I. mit einem Patent 1668 eingreifen musste, da das Gerücht ohne Zweifel nur deshalb ausgestreut wurde, um die andächtige fromme Gemüetter von ihren vorhabenden Kirchfarthen abzuschrecken und hierdurch die in flore [blühend] geweste Andacht in gänzliches Abnemben zu bringen. Übliche Probleme gab es mit den Wirten, die nur allzu gern den Wallfahrer:innen überhöhte Preise berechneten. Aber es gab auch Probleme mit dem „Personal“. Die eingesetzten Administratoren wechselten häufig. Die Kuratorenstellen waren nur schwer zu besetzen. Meist war Maria Taferl nur eine Zwischenstation in einer kirchlichen Laufbahn. So mancher lehnte gleich vorab eine Berufung ab, so etwa Willibald Öttel 1726 mit der Begründung, dass seine Leibskonstitution die harte und scharfe Luft, so an gedachtem Orte außerordentlich wehet nach dem Urteil der Ärzte nicht ertragen könne. 1732 klagte der Administrator dem Bischof, dass im Winter die Geistlichkeit und das weltliche Kirchenpersonal zumeist erkrankt waren; das Kuratenhaus glich einem Lazarett. Insgesamt hatte er 34 Personen zu versorgen, was ihm teuer zu stehen kam. Überdies müsse er die adeligen Wallfahrer mit Café und Chocolat bedienen.

            All das tat aber der steigenden Zahl der Wallfahrten keinen Abbruch. Soweit in den Kirchenrechnungen vorzeichnet, lässt sich die Zahl der Pilger:innen anhand der Zahl der eingekauften Hostien rekonstruieren: Für 1661 kann man so 36.199 Kommunikant:innen annehmen. 1696 standen auf dem Täfferlberg 16 Häuser, nämlich 2 Wirtshäuser, 2 Gaden (=Verkaufsladen) mit gutem Zeuge, 4 Beten- und Bändelkrämer, 2 Fleischhauer, 2 Bäcker und einige Handwerker. Allerdings, so verzeichnete Johann Christoph Pendterriederter, Mitglied der den Wallfahrtsort besuchenden Kommission, sei es ein rauer, kalter, windiger Ort mit steinigen Äckern. 1702 musste man Hostien für 71.000 Kommunikant:innen ankaufen, 1713 für 96.000 und 1716 für mehr als 100.000. Zumindest ab 1749 führte der Passauer Bischof in Maria Taferl Firmungen durch. 1758 war die Zahl der Wallfahrer:innen bereits auf 186.300 angestiegen. Im Jubiläumsjahr 1760 verzeichnete man einen neuen Rekord: Man zählte 326.000 Kommunikant:innen und 701 Prozessionen. Zur Unterstützung der Kuraten halfen andere Priester beim Beichthören aus, das von 4 Uhr früh bis 1 Uhr mittags und dann wieder von 3 bis 10 Uhr abends dauerte. Eine Prozession aus Wien wurde auf 6.000–7.000 Menschen geschätzt, eine andere aus Brno auf 5.000. Die Liste der Priester, die nach Maria Taferl kamen, um hier allein oder mit ihren Schäfchen die Messe zu feiern, liest sich wie ein topographisches Lexikon der Monarchie. Im Herbst kamen dann auch Mönche aus bayrischen, salzburgischen und oberösterreichischen Klöstern, die auf ihrem Weg zu ihren Lesehöfen in der Wachau in Maria Taferl Station machten: etwa 1777 aus Niederaltaich, Aldersbach, Chiemsee, Seeon, Höglwörth, St. Peter in Salzburg, Michaelbeuern, Reichersberg, Suben und Mattighofen. Die josephinischen Reformen stellten naturgemäß einen Einschnitt dar. Aber bereits 1790 kamen wieder Prozessionen aus der näheren Umgebung. 1797 verzeichnete man 98.700 Kommunikant:innen. Auch die Franzosenkriege wirkten sich negativ aus. Einen Höhepunkt stellte das Jubiläumsjahr 1860 dar. Nachdem sich die Zahl der Wallfahrer:innen im Vergleich zum 18. Jahrhundert nahezu halbiert hatte, zählte man im Jubiläumsjahr 227.898 Kommunikant:innen.

              Den Feierlichkeiten 1860 wohnten auch die Eltern Kaiser Franz Josephs bei und schlossen damit an eine lange Tradition von habsburgischen Besuchen in Maria Taferl an. Kaiser Leopold I. besuchte am 8. Juli 1676 den Wallfahrtsort; zuvor hatte er eine Andacht in Mariazell verrichtet. Er spendete 1.000 Gulden und ein silbernes Kruzifix mit Leuchtern für die Kirche. Ein zweites Mal kam er am 29. September 1693, diesmal in Begleitung seiner Gemahlin Kaiserin Eleonora Magdalena Theresia, seines Sohnes König Joseph I. und der Erzherzogin Elisabeth. Das feierliche Hochamt zelebrierte der Abt des Stiftes Melk. Die kaiserliche Familie opferten eine Monstranz, ein Ziborium, einen Kelch sowie zwei Messkännchen mit Tablett, alles aus Silber gefertigt. Im 19. Jahrhundert war es dann Kaiser Franz II. (I.), der häufig Maria Taferl besuchte. Seit 1795 gehörte ja die benachbarte Herrschaft Pöggstall zu seinem Besitz; 1800 hatte er Schloss Persenbeug erworben und 1823 das Schloss Artstetten. Im Mai 1805 reiste Franz II. mit dem Schiff von Persenbeug nach Marbach und ritt dann mit seinem Gefolge nach Maria Taferl. Am Fronleichnamstag wohnte er der Prozession bei. 1818 bestieg er mit Mitgliedern der kaiserlichen Familie den Tafeleberg. Nahezu jedes Jahr kam der Kaiser nun zu Fuß oder mit dem Wagen von einem seiner Güter in den Wallfahrtsort, sehr oft in Begleitung der Kaiserin und der Erzherzogin Maria-Louise (ehem. Kaiserin von Frankreich). Ein weiterer Verehrer des Gnadenortes war Erzherzog Franz Ferdinand. 1892 spendete er vor dem Antritt seiner Weltreise dem Gnadenort ein Gemälde in Anlehnung an die Sixtinische Madonna. Als Schloss Artstetten 1889 in seinen Besitz überging und zu seinem Sommersitz wurde, wurde Maria Taferl zu einem beliebten Ziel seiner Spaziergänge, allein oder später in Begleitung seiner Gemahlin und seiner Kinder. Im Jubiläumsjahr 1910 galt es zweier Jubiläen zu gedenken: Am 1. Juli feierten der Thronfolger und seine Gemahlin hier ihren 10. Hochzeitstag, und der Wallfahrtsort feierte sein 250jähriges Bestehen.

              Um den Schwund an Wallfahrer:innen auszugleichen, setzte Maria Taferl zunehmend auf Tourismus. Mit der Inbetriebnahme der Kaiserin Elisabeth-Bahn (Westbahn) erreichte man Maria Taferl über Krummnußbaum. Von dort übersetzte man die Donau zunächst mit Zillen, später mit einer „Fliegenden Brücke“, die 1903 durch eine Rollfähre ersetzt wurde. Von Marbach musste man den Berg allerdings dann zu Fuß oder mit dem Pferdegespann erklimmen. Das Projekt einer Zahnradbahn kam über das Planungsstadium nicht hinaus. 1909 bestand Maria Taferl aus 35 Häusern. Sieben Gasthäuser und zwei Bier- und Kaffeehäuser versorgten die Gäste.

                Eine besondere Ehrung erfuhr die Wallfahrtskirche durch Papst Pius XII. Er verlieh ihr am 15. Dezember 1947 den Titel und die Würde einer „Basilica minor“. Gründe für diese Verleihung sind meist das Alter einer Kirche, die historische Bedeutung oder die Bedeutung als Zentrum des Glaubens. Mit dem Titel ist die Berechtigung verbunden, die gekreuzten Schlüssel Petri auf Gebäuden oder Fahnen zu zeigen und den Padiglione – einen gelb-rot gestreiften Seidenschirm – als Insignie zu führen. Das niederösterreichische Landesheiligtum Maria Taferl ist bis heute Ziel zahlreicher Wallfahrten. So veranstaltet der Landesverband Niederösterreich des Österreichischen Kameradschaftsbundes jedes Jahr am letzten Sonntag im August seine Wallfahrt nach Maria Taferl. 1962 wurde hier das Landesehrenmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege errichtet. Für viele gläubige Niederösterreicher:innen gilt bis heute noch der Satz, den Thronfolger Franz Ferdinand in einem Brief an Sophie, Gräfin Chotek geschrieben hatte: Maria Taferl – unsere Wallfahrt.

                Autorin: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

                Verwendete und weiterführende Literatur:
                Andreas Frey, Christian Schüller und Robert Wolf, Gruß aus Maria Taferl. Ein Wallfahrtsort erzählt, Berndorf 2024.
                Marlene Hawel, Der „österreichische Myrrhenberg“. Maria Taferl und seine Geschichte im 17. und 18. Jahrhundert (Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 48), Horn-Waidhofen/Thaya 2008.
                Maria Taferl (Denkmalpflege in Niederösterreich Band 44), St. Pölten 2010.
                Alois Plesser, Beiträge zur Geschichte der Wallfahrt und Pfarre in Maria Taferl, in: Geschichtliche Beilagen zum St. Pöltner Diözesanblatt 10 (1928), S. 1–278.

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